Dienstag, 28. April 2009

Schweinegrippe - Sorgen eines Vaters

Seit ein paar Tagen verbreiten sich Nachrichten über einen neuen Influenzastamm wie – wie …eine Grippe. Nachdem die WHO für den A/H1N1-Stamm der Influenza aus Mexiko die Stufe 4 erklärt hat, die letzte Stufe vor Erklärung einer Pandemie, einer global ausgreifenden Epidemie der Grippe, beschäftigt inzwischen wohl die meisten Menschen, wie ernst die Lage ist und was man tun soll. Natürlich mache ich mir auch Sorgen für meinen Sohn, der mit seinen 4 Jahren anscheinend alle 3 Wochen eine neue Infektion aus dem Kindergarten anschleppt, von denen er etwa die Hälfte an meine Frau oder mich weitergibt.

Wenn man sich darüber informieren möchte, wie denn die Lage eigentlich ist und was man beachten sollte, gibt es eine Reihe von Schwierigkeiten.

Die Datenlage:
In Mexiko gab es zunächst geringe Bereitschaft, die Erkrankungen an die große Glocke zu hängen. Dadurch gibt es Zweifel an den mexikanischen Daten. Wenn sich Mexikaner in Blogs äußern, dann häufig mit dem Unterton, daß die Behörden die Epidemie unter den Tisch zu kehren versuchen und es in Wahrheit viel dramatischer sei, als offiziell zugegeben werden. Man kann aber vermuten, daß gerade das Misstrauen in die Behörden dazu führt, daß sich bei umgreifenden Infekten eine Hysterie entwickelt, die die tatsächliche Epidemie übertreibt. Immerhin ist es, gerade für den Laien, schwierig zu beurteilen, ob eine Atemwegserkrankung nun eine Grippe ist, und gar gerade dieser spezielle A/H1H1-Stamm, der für einige Tote gesorgt hat, oder eine andere Infektion. Sicherheit gibt erst ein Test im Labor, der einige Tage Zeit beansprucht. Die am besten greifbaren Daten sind die Zahl der Toten in Krankenhäusern, am besten zusätzlich bestätigt durch eine Laboranalyse auf den Virus, den die Leichen tragen.

Historische Vergleiche:
Was Menschen sehr besorgt macht, sind die Parallelen zur Spanischen Grippe, die je nach Schätzung zwischen 25 und 50 Millionen Menschen in drei Infektionswellen 1918 und 1919 tötete, dabei vorwiegend, und untypisch für Grippe, Menschen zwischen 20 und 40, statt wie sonst Kleinkinder und alte Menschen. Die ersten Zahlen aus Mexiko deuteten ebenfalls auf vorwiegend Menschen mittleren Alters, die nach einer Influenza starben. Und auch der Virusstamm ist der gleiche, wobei der aktuelle Virus genetisches Material von Schweine-, Vogel- und Humangrippe enthält. Die Spanische Grippe war vermutlich in Nordamerika entstanden und von Soldaten durch den 1. Weltkrieg nach Europa gebracht worden. Erst im neutralen Spanien, das im Gegensatz zu anderen Staaten während des 1. Weltkriegs eine freie Berichterstattung über steigende Erkrankungsfälle zuließ, wurde diese Form der Influenza bekannt, was dann den Namen für diese Grippepandemie prägte. Vergleiche sind jedoch auf den zweiten Blick viel schwieriger. In Wahrheit kann keiner sagen, wie viele Menschen tatsächlich von der Spanischen Grippe infiziert wurden, und wie viele Todesfälle es damals gab, denn damals gab es keine genetischen Tests auf den Virustyp. Zudem waren damals viele Menschen durch den Krieg geschwächt und schlecht genährt, Truppenkonzentrationen und -transporte an vielen Stellen machen die globale Verbreitung des Virus einfach und natürlich gab es damals keine effizienten Maßnahmen, z.B. Grippemedikamente wie Tamiflu oder Impfungen gegen Pneumokokken.

Die Bewertung der Lage:
Die WHO ist besorgt, weil man schon länger auf die nächste große Grippepandemie wartet. Der beobachtete Stamm wird offensichtlich gut von Mensch zu Mensch verbreitet und verbreitet sich bereits von Nordamerika nach Europa (bestätigt sind u.a. Spanien und Großbritannien). In Mexiko hatte man am Wochenende ca. 120 Tote auf ca. 1600 Erkrankte gemeldet. Das wäre eine Mortalität von ca. 7,5% (und ich runde hier die Zahlen mit Bedacht, weil hier wirklich viele Unsicherheiten eingehen), was durchaus im Rahmen dessen wäre, was manche für die Spanische Grippe annehmen (hier gibt es allerdings sehr unterschiedliche Meinungen, denn die Datenlage ist einfach zu schwach). Man sollte dabei aber berücksichtigen, daß die Zahl der Erkrankten unzureichend erfasst sein dürfte – gezählt werden wohl nur die Menschen, die mit schweren Symptomen die Krankenhäuser aufsuchen. Weiterhin ist die Sterblichkeit in Mexiko aus mehreren Gründen hoch. Die meisten Menschen sterben nicht direkt an der Grippe, sondern an den Komplikationen, insbesondere einer Lungenentzündung im Gefolge der Grippe, und die hohe Sterblichkeit bestand in Städten, die relativ hoch lagen und damit dünnere Luft hatten – ein Risikofaktor für Menschen mit Atemwegserkrankungen. Dazu kommt die geringere Qualität der Gesundheitsversorgung in Mexiko. Bei den US-Fällen wurden keine vergleichbaren Sterblichkeitszahlen gemeldet, das stellt eine Entwarnung dar.

Wie also soll man darauf reagieren? Zum einen muß man einfach abwarten. Das ist frustrierend, aber es liegen noch zu wenige Daten darüber vor, wie virulent der neue Erreger wirklich ist. Wenn es Verdachtsfälle in Deutschland gibt, sollte man tun, was grundsätzlich zur Vorbeugung bei einer Influenza empfohlen wird: häufig und gründlich die Hände waschen. Die Impfung gegen Pneumokokken und Haemophilus Influenza ist hilfreich, denn begleitende Superinfektionen sind der eigentliche Risikofaktor bei einer Influenza. Grippeimpfungen hingegen werden für diese Grippewelle nichts bringen, weil es mindestens 4 Monate dauert, bis ein passender Impfstoff für die mexikanische Grippe in großer Menge produziert werden kann. Generell kann aber empfindlichen Menschen nur dazu geraten werden, bei den jährlichen Grippeimpfungen mitzumachen, weil dies dafür sorgt, daß große Kapazitäten für die Impfstoffproduktion aufrecht erhalten werden, die uns dann helfen, wenn es mal richtig kritisch wird und eine große Grippepandemie kommt. Sollten die typischen Grippesymptome auftreten (plötzliches hohes Fieber, trockener Husten oder Beklemmung, Schwäche und Muskelschmerzen), sollte eine Therapie schon in den ersten 2 Tagen einsetzen, damit eine Behandlung auch sinnvoll ist. Und da eine Pandemie sich in mehreren Wellen um die Welt bewegt, wird für mich das Thema auch nicht erledigt sein, wenn im Sommer keiner mehr über die mexikanische Grippe reden sollte. Wenn der neue Impfstoff da ist, wird das im Herbst die Gelegenheit sein, die Familie impfen zu lassen. Ansonsten aber halte ich diese Grippe für nicht gefährlicher als die saisonale Grippe, es sei denn, es kämen doch noch Meldungen, die auch für entwickelte Länder eine überdurchschnittliche Mortalität angeben.

Aktualisierung: Seit dem 29.4. gibt es nun auch in Deutschland einen bestätigten Fall nahe Regensburg.

Wo gibt es mehr Informationen? Eigentlich überall, das Problem ist nur, Quellen widersprechen sich teilweise, hinken der Entwicklung hinterher oder sind so technisch und speziell, daß man nicht wirklich von den Informationen profitiert. Hilfreich fand ich den Blog einer Professorin für Epidemiologie hier (auf Englisch).

Einen informativen deutschen Blog finde ich hier.

Eine Karte für deutsche Fälle (bisher gibt es keinen bestätigten Fall in Deutschland zum 28.4.) gibt es hier.

Ansonsten kann man bei der WHO vorbeischauen

und insbesondere beim Robert-Koch-Institut.

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