Sonntag, 14. November 2010

Nicht typisch, aber erhellend

Ich schreibe selten darüber, was sich in den Hauptblogs der Leugnergemeinde tut, wie etwa Wattsupwiththat oder ClimateAudit. Inhaltlich bringt es nichts und ich sehe auch keinen Sinn darin, mich zu wiederholen - und darauf liefe es hinaus, wenn ich schon an Beispielen dargestellt habe, daß dort Unfug als Wissenschaftskritik verkauft wird. Dumme Beiträge, die man in der Kritik verreissen könnte, gibt es da fast täglich. Doch im Oktober waren Beispiele zu finden, die den Geist besonders gut darstellten, in dem diese Blogs verfaßt werden. Diese Beiträge waren vielleicht noch nicht mal typisch für diese Blogs, aber entlarvend und erhellend. Schauen wir uns das also einmal an...



Das eine Beispiel von Watts up with that gibt die Paranoia des Blogs besonders treffend wieder. Der Beitrag übernimmt einen Kommentar aus einem anderen Blog. Es geht darum, daß es eine wissenschaftliche Tagung von Paläoklimatologen in Portugal gegeben hatte. Daran hatten unter anderem auch Phil Jones und Michael Mann teilgenommen. Jones und Mann gelten in Leugnerkreisen als Repräsentanten der Wissenschaft, die sie ablehnen. Insbesondere die Interpretation von alten Proxydaten für Temperaturen, die ergeben, daß die globale Temperatur in den letzten 2000 Jahren nicht sehr stark geschwankt hatte, aber seit 100 Jahren zunehmend schneller ansteigt und den Schwankungsbereich der letzten 2000 Jahre zumindest in den letzten 20 Jahren verlassen hat. Wissenschaftliche Fachtagungen werden in Fachkreisen angemeldet. Pressemitteilungen über solche Tagungen tauchen meistens nur im Wissenschaftsteil von Zeitungen auf, wenn überhaupt. So ist es auch hier der Fall, daß es kaum ein Presseecho zu dieser Tagung gab. In der paranoiden Welt der Klimawandelleugner aber ist eine offen angekündigte Wissenschaftlertagung, über die nicht in aller Breite in Zeitungen und im Fernsehen berichtet wird, "geheim". Und das ist einer der Punkte, auf die dann diese geisteskranke Neuschöpfung der Realität aufbaut, die Watts hier in seinem Blog weiterverbreitet. Der paranoide Wahn wird daran weiterentwickelt, daß auf dieser Tagung unter anderem darauf hingewiesen wurde, daß der Begriff der mittelalterlichen Wärmeperiode wenig hilfreich sei. Vielmehr müsse man den Schritt gehen, stärker zu betonen, daß Klimaschwankungen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten physikalisch erklärt werden sollten und daß man auf diesem Weg sei, und daß der Begriff der mittealterlichen Wärmeperiode in eine beschreibende Klimatologie gehöre, die man hinter sich lassen wolle. Für Watts un seine Anhänger ein Zeichen dafür, daß Wissenschaftler nach einer Terminologie suchen, um die mittelalterliche Wärmeperiode für die Öffentlichkeit zu maskieren, in Wahrheit aber nur ein Zeichen für die Fortschritte der Forschung in den letzten 20 Jahren.

Auch der Blog ClimateAudit hat so einen nicht typischen, aber die Natur des Blogs erklärenden Beitrag. Oder halt stop, der Beitrag ist gerade typisch. Der Blog ist an sich bekannt dafür, daß hier irgendwelche Details zu gewaltigen Skandalen der Wissenschaft aufgebauscht werden und seitenlang Nichtigkeiten umgewälzt werden, immer verbunden mit nur halb ausgesprochenen Unterstellungen bis hin zur Rufschädigung von anerkannten Wissenschaftlern. Es könnte dabei im Laufe der Zeit auffallen, daß der selbsternannte Auditor immer nur Beiträge und Personen auditiert, die den Stand der Wissenschaft vertreten, hingegen praktisch gar nicht kritisch auf irgendeinen Beitrag des eigenen Lagers der Wissenschaftsgegner schaut. Die Strategie, Wissenschaftler mit dem Herumpicken auf Nichtigkeiten als Lügner und Unfähige hinzustellen, um zugleich Klimawandelleugnern Deckung zu geben, wird besonders fragwürdig, wenn sie auf unvollständigen oder falschen Informationen basiert. Ein Beispiel dafür ist die Diskussion über die Wegmann-Anhörung. Noch mal ganz kurz: ein Kongressabgeordneter namens Joe Barton hatte eine Anhörung vor dem amerikanischen Kongreß zu dem Hockeyschläger-Diagramm von Michael Mann und seinen Kollegen organisiert. Wegmann trat als angeblich neutraler wissenschaftlicher Experte auf und behauptete, Manns statistische Verfahren seien fehlerhaft und eine soziale Netzwerkanalyse hätte ergeben, daß es im Grunde nur Leute sind, die irgendwie mit Mann zusammenarbeiten, die ebenfalls einen Hockeyschläger für die Form der globalen Temperatur der letzten 1000 bis 2000 Jahre erhielten.

Es ist eine Sache, festzustellen, daß diese Behauptungen inhaltlich falsch sind. Der Hockeyschläger ist reproduzierbar, wie auch Ammann und Wahl feststellten, und wird seit nunmehr über 12 Jahren unabhängig voneinander von allen Paläoklimatologen bestätigt. Und eine Netzwerkanalyse würde in einem beliebigen Spezialfach zum Ergebnis führen, daß im Laufe der Jahre die meisten Wissenschaftler in diesem Fach miteinander kooperieren. Daraus kann man keinerlei Schlüsse darauf ziehen, ob nun die Ergebnisse in dem Fach korrekt sind. Andernfalls müßte man auch die Relativitätstheorie, die Quantenmechanik oder die Genetik verwerfen, alles Fächer, die mit kleinen Gruppen von sehr spezialisieren und eng kooperierenden Wissenschaftlern begonnen hatten.

Eine weitere Feststellung ist es, daß die von Joe Barton organisierte Anhörung und die Mitteilungen und Berichte der teilnehmenden Wissenschaftler im Vorfeld abgesprochen und orchestriert waren. Wegmann war genauso wie McKitrick und McIntyre nur ein parteiischer Gutachter für die hier von Republikanern vertretene Lobby der CO2-Emittenten. Im Blog DeepClimate wird die Vorgeschichte von McIntyre erzählt. Die Anhörung von Wegmann selbst ist als Propagandaveranstaltung der CO2-Emittentenlobby enttarnt worden. Trotzdem wird in Leugnerkreisen noch heute gerne diese Anhörung als angeblicher wissenschaftlicher Beleg für die Fehler von Michael Mann und der Hockeyschlägergraphik vorgezeigt.

Doch die Geschichte wird noch unappetitlicher dadurch, daß sich herausgestellt hat, daß sowohl Wegmann als auch seine Studenten wiederholt wegen Plagiarismus aufgefallen sind und Wegmann deswegen nun zum Gegenstand einer Untersuchung durch seine Universität wurde. Die Details sind auf RabettRun als Linksammlung verfügbar. Unter anderem erwies sich auch Wegmanns soziale Netzwerkanalyse als Plagiat - also nicht nur inhaltlich falsch, politisch orchestriert, sondern auch noch von anderen Wissenschaftlern geklaut. Was macht nun McIntyre auf ClimateAudit? Zugeben, daß einer der Ecksteine seiner ganzen Verurteilung von Michael Mann fehlerhafte, politisch motivierte und geklaute Pseudowissenschaft war? Nein, lieber bringt er Beispiele dafür, daß angeblich andere Wissenschaftler das gleiche machen - als würde das etwas ändern. Und als Beispiel nimmt er im eingangs zitierten Link den Wissenschaftler Bradley, von dem Wegmann ebenfalls Textstellen abgeschrieben hatte, ohne dies zu kennzeichnen. McIntyre behauptet nun, Bradley seinerseits hätte von Fritts 1976 geklaut. Tatsächlich hatte Bradley Teile von Arbeiten Fritts verwendet und diese als Teile einer Publikation von Fritts 1971 zitiert. Fritts 1976 zitiert seinerseits Fritts 1971. Ob Bradley also Fritts 1976 oder Fritts 1971 verwendet hatte, ist nicht immer eindeutig erkennbar, in dem Zusammenhang auch bedeutungslos und zeigt nur, daß McIntyre jedes Mittel recht war, um hier Bradley ein angebliches Plagiat anzuhängen, wo keines vorlag.

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