Sonntag, 29. Dezember 2013

Antiwissenschaftliche Bewußtseinsbildung - Geld und Medien

In früheren Beiträgen hatte ich darüber geschrieben, dass die Leugnung des wissenschaftlichen Sachstands zum Klimawandel eine Bewegung ist, bei der wirtschaftliche und politische Interessen zusammenkommen. Antigrüne, wirtschaftslibertäre politische Bewegungen und Unternehmen, die von der Förderung, dem Vertrieb und der Nutzung fossiler Brennstoffe abhängen, haben gemeinsame Interessen daran, politische Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu behindern. Dies geschieht am effizientesten mit der gleichen Taktik, die schon die Tabaklobby angewendet hat: man erzeugt Zweifel an der Sicherheit der wissenschaftlichen Wissens und greift die Wissenschaftler, die unerwünschte Ergebnisse liefern, möglichst direkt an. Dazu bedient man sich Lobbyvereinen und Lobbyunternehmen, die nach außen als angebliche wissenschaftliche Institutionen auftreten und eine Flut von wissenschaftlich aussehenden Publikationen erzeugen, um den Anschein einer intensiven Debatte über schon längst geklärte Fragen zu erzeugen. Der Erfolg zeigt sich insbesondere in den USA bei Umfragen: 97% der Wissenschaftler akzeptieren den Sachverhalt einer vorwiegend von Menschen verursachten globalen Erwärmung. Doch in der Bevölkerung in den USA glauben fast genauso viele Menschen, dass die globale Erwärmung nicht stattfindet oder nicht vom Menschen verursacht ist, wie andere glauben, dass es eine menschengemachte globale Erwärmung gibt. Lobbyvereine, die die öffentliche Meinung beeinflussen, kosten nur ein Bruchteil der Aufwendungen für seriöse Klimaforschung, trotzdem müssen sie finanziert werden. Das geschieht durch Menschen, die an einer libertären, staatsfeindlichen, industriefreundlichen Politik interessiert sind, also auch, aber nicht nur, durch entsprechende Industrieunternehmen. Am Beispiel des Heartland-Instituts konnte man schon einen Blick in solche Strukturen werfen, bei denen die Kampagne gegen die Wissenschaft über den NIPCC-Bericht, über die Beeinflussung von Schulen und Medien und politische Lobbyarbeit finanziert wird. Eine neue Publikation von Robert J. Brulle in Climatic Change, 2013 (DOI 10.1007/s10584-013-1018-7) erhellt diese Zusammenhänge genauer.



Brulle macht folgende Trends aus:
  • Die Geldgeber der Lobbyinstitutionen verschleiern zunehmend die Geldströme. Dadurch wird nach außen weniger transparent, welchen Anteil die Wirtschaftsunternehmen der fossilen Brennstoffe (zum Beispiel Koch Industries, EXXON) an diesen Geldströmen haben.
  • Die antiwissenschaftliche Bewegung arbeitet mit der Vernetzung der verschiedenen Interessengruppen, um die Geldmittel für die Erzeugung von Zweifel am wissenschaftlichen Sachstand zu bündeln. In den USA findet man eine starke Vernetzung interessierter Industrielobbys mit der konservativen Bewegung (Umfeld der Republikaner). Die antiwissenschaftliche Bewegung gegen den Klimawandel besteht aus einem koordinierten Netzwerk ohne erkennbare Fraktionsbildung, in dem 91 verschiedene Lobbyinstitutionen zusammenarbeiten.
  • Die Förderung der Lobby-Arbeit erfolgt unter Ausnutzung steuerlicher Förderung vorgeblich gemeinnütziger Zwecke, insbesondere der angeblichen Wissenschaftsförderung.
  • Die Geldströme umfassen pro Jahr im Durchschnitt der letzten acht Jahre in den USA ca. 900 Millionen Dollar.
Der Erfolg der Strategie baut zusätzlich auf einem Versagen der Medien auf. Dazu gehören konservativ ausgerichtete Medien wie zum Beispiel Fox News oder der Rupert Murdoch Medienkonzern, die Leugnern in der Berichterstattung breiten Raum geben. Dazu gehört auch die sogenannte falsche Balance bei der Berichterstattung, aufgrund derer bei jedem Thema, um die Neutralität der Medien zu demonstrieren, jeweils gleich viele Vertreter von Gegenpositionen gegenüber gestellt werden. Das führt zur falschen Balance bei Themen, bei denen die Diskussion wissenschaftlich entschieden ist. Außenseiter erhalten hier die gleiche Bandbreite wie die Vertreter eines breiten wissenschaftlichen Kosenses, was die Öffentllichkeit an einer Kontroverse glauben läßt, die gar nicht mehr besteht.  Im Extremfall kann sich sogar das Verhältnis völlig umkehren - in manchen Medien kommen dann fast nur noch Außenseiter zu Wort. Das sieht man etwa bei vielen Artikeln des Spiegel zum Thema Klimawandel, speziell wenn der Autor Axel Bojanowski heißt. Die üblichen "Experten" sind dann Hans von Storch (bzw. mit oder ersetzt durch Eduardo Zorito oder Reiner Grundmann), Roger Pielke jr. und Roger Pielke sr., Judith Curry und Richard Tol, Vertreter ausgesprochener Außenseitermeinungen, mit denen man das Meinungsmache-Bingo spielen könnte - in Artikeln, die den Anschein harter Kontroverse erzeugen sollen, kommen die meisten dieser Personen vor, in verschärften Versionen außerdem vor allem Stephen McIntyre, Ross McKitrick, Richard Lindzen, Fred Singer, Roy Spencer, John Christy und in Deutschland das EIKE-Personal sowie Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning. Das Bestreben der Medien, mit echten oder scheinbaren Kontroversen Interesse und damit Umsatz zu erzielen und die Strategie der Wissenschaftsleugnung, eine Kontroverse vorzutäuschen, ergänzen sich hier auf fatale Weise.


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